Teil 6
In Teil 6 widmen wir uns konkret folgenden Fragen: "Woher stammt das Fachwissen über die Automaten und ihre Historie?", "Wie gehen wir bei der Recherche vor?" und "Was hat das mit einer Schnitzeljagd zu tun?!"
Teil 6
In Teil 6 widmen wir uns konkret folgenden Fragen: "Woher stammt das Fachwissen über die Automaten und ihre Historie?", "Wie gehen wir bei der Recherche vor?" und "Was hat das mit einer Schnitzeljagd zu tun?!"
Im Museum sind wir immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen. Mit ihnen sind wir in der Lage, die Geschichte der Automatenbranche Stück für Stück zu rekonstruieren. Die Suche nach Erkenntnissen kann mit einem noch so kleinen Gegenstand beginnen! In diesem Beispiel ist es der Fund einer Kiste, gefüllt mit über 150 Stück 8,5 x 5 cm kleinen Faltschachteln.
Sie gehörten zum bisher nicht untersuchten Material aus der Übernahme einer großen Sammlung des französischen Sammlers Jean-Claude Baudot, das noch in unseren Depots schlummert und darauf wartet, uns endlich seine Geschichten erzählen zu dürfen.
Beim Fund einer solchen Pappschachtel kommen einige Fragen auf:
Beim Fund einer solchen Pappschachtel kommen einige Fragen auf:
Bringen oder senden Sie sie zum Büro des Unternehmens in Ihrer Stadt und erhalten Sie für jeweils einhundert Stück fünf Packungen der Ware Ihrer eigenen Wahl, die in den Automaten verkauft wurde.
-Public Supply Company, New York, U.S.A.'
Bringen oder senden Sie sie zum Büro des Unternehmens in Ihrer Stadt und erhalten Sie für jeweils einhundert Stück fünf Packungen der Ware Ihrer eigenen Wahl, die in den Automaten verkauft wurde.
-Public Supply Company, New York, U.S.A.'
Das Wort 'machine' im Hinweistext auf der Kartonrückseite deutet bereits in eine interessante Richtung, denn in diesem Zusammenhang ergibt nur eine Übersetzung als 'Automat' Sinn. Sind die Kartons also die Verpackung aus einem uns bisher unbekannten Verkaufsautomaten?
Aus heutiger Sicht ebenfalls interessant ist der Recycling Aspekt, dieser Botschaft. Damals vermutlich ökonomisch motiviert, da die Produktion solcher Schachteln im Vergleich zu heute noch recht teuer war, und zudem eine Strategie, um den Konsum anzuregen, tritt heute der Umweltgedanke mehr und mehr in den Vordergrund. Das vor vielen Jahren abgeschaffte Prinzip, Umverpackungen beispielsweise aus Pappe erneut zu verwenden, wird durch diese Schachtel wieder in Erinnerung gerufen und regt vielleicht zu neuen und dennoch altbewährten Denkansätze an.
Bei der Untersuchung des Objekts stellt sich außerdem die Frage: "Warum hat diese Schachtel so eine ungewöhnliche Keilform?" Bald zeigt sich durch etwas Ausprobieren: Diese Form ist sinnvoll, wenn man die Schachteln zirkelförmig anordnen möchte. 16 von diesen Verpackungen können zusammen einen Kreis bilden.
Das lässt die Vermutung zu, dass es sich um eine Automatenware handeln könnte, die durch einen zylinderförmigen Automaten verkauft wurde. Denkbar wäre, dass die Schachteln in 16 Warenschächten übereinander gestapelt wurden.
Dank dieser vielversprechenden These lohnt sich eine erste Recherche zu den aufgedruckten Namen:
Das lässt die Vermutung zu, dass es sich um eine Automatenware handeln könnte, die durch einen zylinderförmigen Automaten verkauft wurde. Denkbar wäre, dass die Schachteln in 16 Warenschächten übereinander gestapelt wurden.
Dank dieser vielversprechenden These lohnt sich eine erste Recherche zu den aufgedruckten Namen:
Im Online-Archiv des International Arcade Museums lassen sich gut englischsprachige Fachmagazine finden. Also starten wir hier eine allgemeine Suche nach dem Begriff 'Universal Salesman'.
Und wir werden fündig: Im Jahr 1929 gab es einen Automaten namens 'lmproved Universal Salesman' vom Hersteller 'F. Q. Rast & Son' aus New York.
In dem Werbefoto [siehe unten] lässt sich erkennen, dass er acht Warenschächte besitzt und daher nicht unser gesuchter Automat sein kann. Auch das Wort 'improved' weist darauf hin: Er ist wohl die 'verbesserte' Version des Originals. Er könnte ein Nachfolgemodell des Automaten sein, den wir suchen!
Im Online-Archiv des International Arcade Museums lassen sich gut englischsprachige Fachmagazine finden. Also starten wir hier eine allgemeine Suche nach dem Begriff 'Universal Salesman'.
Und wir werden fündig: Im Jahr 1929 gab es einen Automaten namens 'lmproved Universal Salesman' vom Hersteller 'F. Q. Rast & Son' aus New York.
In dem Werbefoto [siehe unten] lässt sich erkennen, dass er acht Warenschächte besitzt und daher nicht unser gesuchter Automat sein kann. Auch das Wort 'improved' weist darauf hin: Er ist wohl die 'verbesserte' Version des Originals. Er könnte ein Nachfolgemodell des Automaten sein, den wir suchen!
Nun kann uns die Suche in einer Patentdatenbank weiterhelfen, denn wir wissen:
[Bild links: Werbung aus Magazin 'Automatic Age' von 1929]
Nun kann uns die Suche in einer Patentdatenbank weiterhelfen, denn wir wissen:
[Bild links: Werbung aus Magazin 'Automatic Age' von 1929]
Die Datenbank
DEPATIS
(kurz für Deutsches Patentinformationssystem) bietet die Möglichkeit, deutsche und internationale Patente und Gebrauchsmuster ab 1790 zu recherchieren.
Ein Großteil davon steht als PDF zu Verfügung. Bei unserer Suche erhalten wir unter anderem diese Treffer:
Beim Öffnen eines der PDFs scheint dann alles klar zu sein: Die Anordnung der Warenschächte stimmt mit unserer "Kreistheorie" überein! Wir haben das passende Patent gefunden. Es wurde in den USA 1907 angemeldet und 1908 veröffentlicht. Der Erfinder des Automaten ist George D. Schrum. Patentinhaber und somit höchstwahrscheinlich der Hersteller ist die Universal Salesman Co.
Dank der Patentskizze wissen wir nun in etwa, wie der Automat ausgesehen haben muss.
Leider kennen die bekannten Automatendatenbanken und -foren den gesuchten Automaten nicht.
Beim Öffnen eines der PDFs scheint dann alles klar zu sein: Die Anordnung der Warenschächte stimmt mit unserer "Kreistheorie" überein! Wir haben das passende Patent gefunden. Es wurde in den USA 1907 angemeldet und 1908 veröffentlicht. Der Erfinder des Automaten ist George D. Schrum. Patentinhaber und somit höchstwahrscheinlich der Hersteller ist die Universal Salesman Co.
Dank der Patentskizze wissen wir nun in etwa, wie der Automat ausgesehen haben muss.
Leider kennen die bekannten Automatendatenbanken und -foren den gesuchten Automaten nicht.
Glücklicherweise haben wir aber selbst über die letzten 40 Jahre eine umfangreiche, fachbezogene Bibliothek aufgebaut, die in solchen Fällen Gold wert ist. Hier suchen wir in den Werken über amerikanische Vending Machines nach einem Automaten, der zu dieser Zeichnung passt - und finden ihn!
Die Automatenwaren, die in diesem Gerät verkauft wurden, waren verschiedenster Art. Artikel, die klein genug waren, um in die Faltschachteln zu passen, konnten am Automaten verkauft werden. Wie im Patent zu lesen ist, wurde die unverpackte Ware, wie zum Beispiel Kaugummis, im Glasdach des Automaten jeweils über dem passenden Warenschacht präsentiert. Dies ist auch auf dem Automatenfoto aus der Literatur zu sehen.
Dieser Automat namens 'Universal Salesman' wird in der Fachliteratur allerdings mit einem Patent von 1906 angegeben.
Gab es etwa noch ein früheres Patent?!
Zurück in der Patent-Datenbank nutzen wir dieses konkrete Datum zur Recherche und entdecken das Patent eines anderen Erfinders. W. C. Whitney hat bereits ein Jahr früher, also 1906, ein Patent einer Vending Machine angemeldet, die in Aussehen und Mechanik dem 'Universal Salesman' gleicht.
Patentinhaber ist hier jedoch nicht die Universal Salesman Co. und auch nicht George Schrum. Ein weiterer baugleicher Automat ist nirgends auffindbar.
[Bild links: Automatenskizze (Frontansicht) des Patents von 1906]
Zurück in der Patent-Datenbank nutzen wir dieses konkrete Datum zur Recherche und entdecken das Patent eines anderen Erfinders. W. C. Whitney hat bereits ein Jahr früher, also 1906, ein Patent einer Vending Machine angemeldet, die in Aussehen und Mechanik dem 'Universal Salesman' gleicht.
Patentinhaber ist hier jedoch nicht die Universal Salesman Co. und auch nicht George Schrum. Ein weiterer baugleicher Automat ist nirgends auffindbar.
[Bild links: Automatenskizze (Frontansicht) des Patents von 1906]
Wie Sie sehen, hat die Suche nach Erkenntnissen teilweise etwas von einer Schnitzeljagd, die abhängig ist von einer sinnvollen Kombination von digitalen und analogen Quellen. Mit dem Ziel, Fachwissen zu erlangen, das wir für die Nachwelt und unsere Gäste aufbereiten und in der Ausstellung präsentieren, sind wir sowohl auf Online-Datenbanken als auch auf einen gut sortierte Bibliothek und allzu häufig Archivmaterial der jeweiligen Zeit angewiesen.
Bis zur einwandfrei bewiesenen Historie eines Exponats ist es manchmal ein weit verzweigter Weg. Aber die Arbeit lohnt sich, denn so lässt sich die Geschichte der Münzautomaten nachvollziehen.
Im nächsten Blogartikel wird es darum gehen, wie unsere Rechercheergebnisse festgehalten werden, warum Historie digitalisiert werden sollte und was es dabei zu beachten gibt.